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Daoismus

Der Daoismus kommt aus China und wird dort auf zwei Weisen praktiziert. Einerseits als Religion, andererseits als Philosophie. Im religiösen Daoismus spielen neben den philosophischen Konzepten auch Ahnenkult und eine Vielzahl an Gottheiten eine Rolle, die ein Organ, einen Berg oder Fluss oder auch ein Prinzip repräsentieren können. Der philosophische Weg hingegen fokussiert sich auf die Konzepte und Modelle zur Welterklärung. Seine Stärke liegt darin, Schöpfung eben nichtreligiös zu betrachten, ohne für diese einen Schöpfer zu benötigen. Entsprechend gestaltet sich die Welt aus Sicht des philosophischen Daoismus auch nach Prinzipien und Gesetzen und nicht nach einem Schöpfer-Willen. Es ist daher der philosophische Weg, auf dem auch ich hier wandle... sein Hauptwerk ist das Tao Te King von Lao-Tsu, doch die Herkunft seiner Modelle reicht mitunter weit in schamanistische Traditionen der Frühzeit in China (3.000 v.Chr.) zurück.

Im Westen sind durchaus einige der Konzepte bekannt, allen voran das Yin und Yang, das Taiji-Symbol oder die »5 Wandlungsphasen«. Was seltener durchdrungen wird, ist hingegen die innere Logik der Ableitung voneinander bzw. Bezugsetzung der einzelnen Konzepte zueinander. Man kennt eben einelne Punkte, aber nicht das Gesamtmodell. Entsprechend wird zumeist auch nicht gesehen, wie komplex einerseits und konkret andererseits die praktische Anwendung im Alltag ist. In China hingegen durchziehen die Modelle quasi alle Bereiche: Medizin, Architektur, Politik, Kunst... Aber in ihrer konkreten Anwendung liegt ihre Stärke, denn durch diese sind sie empirisch überprüfbar. Und so kommt der philosophische Daoismus dem Nahe, wie sich unsere Wissenschaften entwickelt haben, nur dass er von einer synthetischen Sicht ausgeht und nicht von einer analytisch-trennenden.

Das Dao – der Ursprung

Das Tao Te King beginnt mit der Klarstellung, dass das namentliche Dao nicht das wahre Dao sei. Es bedeutet, dass das tatsächlich wirkliche Dao, der tatsächlich wirkliche Ursprung aller Dinge gar nicht erfassbar und benennbar ist. Jede Benennung, Erklärung und Darstellung wird dem wahren Dao nicht gerecht sein können.

Eben darum werden auch keine Konzepte angefertigt, wer, wie, was das Dao ist. Es wird vielmehr bewusst als Mysterium, als Geheimnis akzeptiert, welches sich unserer Erkenntnisfähigkeit entzieht. Und so stellt selbst eine Erfahrung, in der wir mit dem Dao eins sind und verschmelzen, nicht das wahre Dao dar, sondern nur ein Abbild.

Mit der Akzeptanz des Ursprunges als Mysterium aber brauchen wir auch keinen Schöpfer und dergleichen. Die Installation eines solchen in Form von z.B. Gott würde dem Ursprung ohnehin nicht gerecht werden und in die irre führen. Wir können nur festhalten, dass das Dao das Qi gebährt.

Qi – die Energie

Tatsächlich ist Qi mehr als Energie, es ist die Substanz, aus der alles besteht. Gerne wird Qi auch mal mit »Lebensenergie« übersetzt, aber das ist nicht korrekt, denn auch Steine bestehen aus Qi. Entweder müssten wir also alles Existente als lebendig ansehen, oder aber Qi nicht derartig übersetzen. Letzteres macht Sinn, denn auch in den daoistischen Lehren wird Qi weiter ausdifferenziert in unterschiedliche Qualitäten und Aggregatzustände, die das Qi einnehmen kann.

So markiert Shen zum Beispiel das Qi in geistiger Form, Jing hingegen meint dieses in physisch-materieller Form als Vitalität in einem Organismus usw. usf. Daher ist es besser, es mit schlicht Energie zu übersetzen.

Eine Eigenheit des Qi ist es, dass es sich inhaltlich wirklich nur schwer definieren, dafür aber unmittelbar erfahren lässt. Wenn Sie also wirklich wissen möchten, was Qi ist, kommen Sie um eine Form des Qigong, der Energiearbeit, nicht herum.

Yin Yang – die Polarität

In unserem westlichen Denken werden yin und yang gerne als Gegensatzpaar angesehen, also als zwei getrennte Kräfte, deren Zusammenkommen dann die Welt gestaltet. Aber es sind keine zwei getrennten Kräfte. Vielmehr symbolisieren sie, dass das Qi in seinen Manifestationen immer ein Kontinuum bildet, dass in zwei gegenüberliegenden Qualitäten als Extrempunkte endet. Dabei ist die Welt um so klarer und sortierter, je klarer sich eine Manifestation im Yin Yang-Wechselspiel befindet. Bricht die polare Struktur zusammen, entsteht Chaos und muss sich erst eine neu Yin-Yang-Dynamik bilden.

Vielfach werden Zuordnungen vorgenommen, z.B. dass Yin für Weiblichkeit, Dunkelheit, Passivität, Wasser usw. stünde, aber das führt uns schnell wieder in analytisch-trennende Logiken, die der eigentlichen Dynamik nicht gerecht würden. In der Praxis des Taijiquan ergründen wir permanent das Yin und Yang in Form von Spannung-Entspannung oder der Gewichtung von voll und leer.

Taiji – das letzte Prinzip

Es wird auch mit das höchste Prinzip übersetzt. Im Kern markiert das Taiji das erste, das grundlegendste Wirkungsprinzip in der Schöpfung, von dem alle anderen ausgehen.

Es besagt, dass die Polarität nicht als Trennung zu sehen ist, sondern als Verbindung, da beide Pole nicht ohne den jeweils anderen existieren können. Es gibt immer nur beide Pole, die die Enden eines Kontinuums darstellen und eben nicht von einander getrennte Gegensätze.

Weiter besagt das Taiji, dass sich die polaren Qualitäten gegenseitig in sich tragen und in einem immerwährenden Wechselspiel zusammenfließen und so die Welt gestalten. Sie kennen vielleicht das Experiment, mit drei Eimern Wasser: in einem Eimer ist normal temperiertes Wasser, in einem heißes und in einem sehr kaltes. Je nachdem, ob Sie ihren Arm zuvor im heißen oder sehr kalten Wasser hatten, werden sie das normal temperierte Wasser mal als kalt und mal als warm erleben. Das normale Wasser selbst ist unverändert und neutral, erst ihre Vorprägung (heiß = yang, kalt = yin) sorgt dafür, dass sich das Erleben (Wasser ist kalt = yin, Wasser ist warm = yang) im polaren Prinzip entfaltet.

Tian Di Ren – die Seins-Ebenen

Diese stehen für den Himmel, die Erde und den Menschen. Im ursprünglichen Verständnis gibt es als polaren Raum nur Himmel und Erde, und erst in ihrem Zusammenwirken entsteht die menschliche Welt. Daher die Reihenfolge Himmel-Erde-Mensch. Man kann aber die Seinsebenen auch so ansehen, dass der Mensch der Mittler zwischen beiden Welten ist, mit den Füßen auf der Erde stehend, mit dem Kopf gen Himmel ragend. Dann wäre es eigentlich Tian-Ren-Di, so wie in der Grafik dargestellt. Diese Sicht ist auch insofern schlüssiger, als dass Himmel und Erde ja in der Mitte zusammenkommen und dort der Mensch zu finden ist. Aber tatsächlich ist die Ebene des Menschen nicht nur auf den Menschen zu begrenzen, sondern als alles Lebendige anzusehen, ebenso alles kulturelle, soziale Leben. In der Praxis des Taijiquan ist dieses Konzept fundamental, richtet es uns doch in der Welt aus.

Das Bagua – die Manifestationen

Aus dem Zusammenspiel von Yin und Yang auf den drei Seinsebenen des Tian-Di-Ren ergeben sich 8 grundlegende Manifestationsformen. In diesen stehen sich oben und unten Himmel und Erde gegenüber, befinden sich links und rechts Feuer und Wasser als Gegensätze. Ergänzt werden diese durch den See (oben-links), den Wind (oben-rechts), den Donner (unten-links) und den Berg (unten-rechts).

Jede Manifestation drückt dabei eine besondere Qualität von energetischem Zustand aus. Zugleich manifestieren sich mit dem Bagua die acht grundlegenden Himmelsrichtungen und damit das geistige Prinzip der Raumorientierung.

Wu Xing – 5 Wandlungen

Bei uns ist sehr oft auch von der Lehre der 5 Elemente zu lesen, aber das ist irreführend. Denn es handelt sich nicht um Elemente, sondern um grundlegende Wandlungsprozesse, welche die Welt - zumindest aus daoistischer Sicht - gestalten.

Diese Wandlungsprozesse sind in aller Kürze:

  • Feuer – ausdehnend, aufsteigend, transformierend
  • Erde – sinkend, ausbreitend, zerlegend
  • Metall – zentrierend, zusammenziehend, abscheidend
  • Wasser – sinkend, sammelnd, speichernd
  • Holz – aufsteigend, aufrichtend, durchstoßend

Wie im Schaubild mit den Pfeilen symbolisiert, gehen die Wandlungen in dieser Reihenfolge auseinander hervor. In der umgekehrten Richtung verzehren sie sich. Und schließlich gibt es noch innere Wechselwirkungen.